Steinbrüche und Bergwerke

«Ölschiefer»-Bergwerke

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in Gruben und Stollen oberhalb von Besano (Provinz Varese) «Ölschiefer» der mittleren Trias wegen ihres Gehalts an brennbarem Öl abgebaut. 1830 folgte eine Studie zur Produktion von Gas für die Strassenbeleuchtung von Mailand, was aber wie einige spätere Projekte bald wieder aufgegeben wurde. 1861 erteilte auch die Tessiner Regierung die Bewilligung zum bergmännischen Abbau auf Gebiet der Gemeinden Meride und Brusino; verschiedene Abbauversuche wurden aber bald wieder eingestellt. Erst nach dem kommerziellen Erfolg des Ichthyols aus Seefeld im Tirol, das aus einem ähnlichen, fossile Fische führenden «Ölschiefer» der oberen Trias gewonnen wurde, begann 1906 der kommerzielle Abbau in einem alten Stollen oberhalb Tre Fontane bei Serpiano.

1910 eröffnete die neu gegründete Società Anonima Miniere Scisti Bituminosi di Meride e Besano eine Ölfabrik in Spinirolo bei Meride. Hier wurde das Öl durch trockene Destillation gewonnen und zu einem Ichthyol-ähnlichen Produkt für die pharmazeutische Industrie von Mailand und Basel verarbeitet. Als Öl oder als Salbe wurde das «Saurolo» hauptsächlich gegen Hautkrankheiten eingesetzt.

Die Ölfabrik Spinirolo bei Meride, um 1940. © FMSG/Archivio Sommaruga

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Verpackung der Heilsalbe «Saurolo» der Firma Adroka (Basel) mit einem stilisierten Ichthyosaurier. © Adroka/Archiv PIMUZ

 Im Jahre 1916 waren in Tre Fontane fünf Stollen mit einer Gesamtlänge von 900 m in Betrieb, die bis dahin schätzungsweise 2100 t verwertbares Material geliefert hatten. 1943 waren fast 1500 m Stollen und Querschläge ausgebaut. Zwischen 1917 und 1927 wurde auch das Vorkommen in der Val Porina, nordwestlich Meride, ausgebeutet. 1922 nahm das Bergwerk in Selva Bella oberhalb Besano seinen Betrieb wieder auf und wenig später begann auch die Ölfabrik Novella in Besano mit der Verarbeitung des Rohmaterials.

Plan des Bergwerks Tre Fontane (Cantiere di Val Stelle) aus einem Abbaugesuch von 1943. © Archiv Landesgeologie, swisstopo

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Der Eingang des Bergwerks Tre Fontane mit dem Knappenhaus, um 1916. © FMSG/Archivio Sommaruga

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Mineur im Stollen des Bergwerks Tre Fontane, um 1916. © FMSG/Archivio Sommaruga

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Bergarbeiter mit Lore im Stollen des ehemaligen Bergwerks Val Porina, 1931. © PIMUZ/B. Peyer

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 Die «Ölschiefer» (nach heutiger Bezeichnung bituminöse Tonsteine), stammen aus dem mittleren Abschnitt der Besano-Formation («Grenzbitumenzone»). Der Gehalt an organischem Kohlenstoff lag zwischen 20 und 44 %; der Ertrag betrug 74–85 l Rohöl pro Tonne Rohmaterial. Durch trockene Destillation bei niedriger Temperatur entstanden aber nicht nur diese 8 % Rohöl mit einem Schwefelgehalt von 7 %, sondern auch 8–9 % Gas und 2–3 % Ammoniak. Die mittlere Jahresproduktion von «Ölschiefer» bewegte sich zwischen 300 und 400 t, woraus 22–30 t Rohöl gewonnen wurden. Wegen Ausfuhrschwierigkeiten nahm die Produktion während des Zweiten Weltkriegs ab, gefolgt von einem kleinen Aufschwung, der aber nur wenige Jahre dauerte. Damals waren 30 Personen (Mineure und weitere Angestellte) in der Bergwerksgesellschaft beschäftigt. Um 1950 wurde der Abbau von «Ölschiefer», 1954 auch die Produktion und der Vertrieb von Saurolo eingestellt.

Galenit-, Baryt- und Fluorit-Bergwerke

Galenit (Bleiglanz), Baryt (Schwerspat) und Fluorit treten am Monte San Giorgio meist in tektonischen Bruchzonen oder Adern auf, sei es in den vulkanischen Serien des Perm oder in darüber liegenden Sedimenten der unteren und mittleren Trias. Die wenig ergiebigen Mineral-Lagerstätten werden als Ausfällungen hydrothermaler Wässer an Brüchen gedeutet, die in der mittleren Trias entstanden sind. In der Mitte des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde eine silberführende Bleiglanzmine im Rio Vallone südlich Porto Ceresio ausgebeutet. Die Erze sind an eine tektonische Bruchzone zwischen den permischen Vulkaniten und dem untertriassischen Servino gebunden. Baryt und Fluorit wurden aus Mineraladern in den permischen Vulkaniten am Monte Grumello östlich von Porto Ceresio gewonnen. Südöstlich des alten Hotels Serpiano wurde letztmals 1942–1944 ein Barytgang im permischen Vulkanit in einem Stollen und Tagebau abgebaut. Das Bariumsulfat diente als Rohstoff für die Farb- und Metallindustrie.

Gipsgruben

Drei Vorkommen von Gips wurden in der Umgebung von Meride an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und von 1920 bis 1939 genutzt und in der Gipsmühle von La Guana verarbeitet. Der Gips der Pizzella-Formation entstand zu Beginn der späten Trias nach der Verlandung des früheren Meeresbeckens der mittleren Trias.

«Marmor»-Steinbrüche

Die ältesten geschichtlichen Urkunden zur Nutzung von Gesteinen im Gebiet des Monte San Giorgio stammen aus dem 16. Jahrhundert. Sie dokumentieren den Betrieb von Steinbrüchen in Viggiù und Saltrio an der Südflanke des Monte Orsa auf italienischem Gebiet sowie im Dreieck Arzo–Tremona–Besazio auf Schweizer Seite. Die Steinbrüche von Arzo waren bereits zur Zeit der Renaissance gut bekannt. Wie bei den Gesteinen von Viggiù fanden die verschiedenen Typen des «Marmo di Arzo» aus dem unteren Jura (eigentlich kein Marmor, sondern ein polierfähiges Sedimentgestein) nicht nur regional, sondern in ganz Europa Verbreitung und wurden wegen ihrer bunten Farben speziell in Kirchen eingebaut. Die drei wichtigsten Gesteinstypen «Macchia Vecchia», «Broccatello» und «Rosso d’Arzo» wurden kunstvoll zu Taufbecken, Weihwasserbecken, Balustraden, Säulen, Treppenstufen und Fussböden verarbeitet. Sie schmücken Altäre, wie z.B. in den Domen von Como und Mailand sowie im Kloster Einsiedeln.
   
Die Bearbeitung und der Handel von Gesteinen des Monte San Giorgio fanden die grösste Verbreitung im Barock (17. Jahrhundert), im Neoklassizismus (18. Jahrhundert) und in etwas kleinerem Umfang im 19. Jahrhundert. Trotz der ökonomischen Krise zu Beginn des 20. Jahrhunderts und weiterer ungünstiger Faktoren (Beginn der Herstellung von Zementfabrikaten) bedeutete der Abbau für die Bewohner bis Mitte 20. Jahrhundert eine wichtige Verdienstquelle. 1931 waren in Viggù mit insgesamt 2400 Einwohnern etwa 50 Betriebe aktiv, die 240 Personen beschäftigten. Saltrio zählte zu dieser Zeit 16 Betriebe und Arzo deren 6. Abgebaut wurde durch kleine Familienunternehmen unter Mithilfe von Tagelöhnern. Die Steinbrüche gehörten den Betrieben selbst (Viggù) oder wurden von der Gemeinde (Saltrio) oder vom Patriziat (Arzo) verpachtet.

Der Abbau der Steinblöcke erfolgte ursprünglich mit traditionellen Werkzeugen wie Vorschlaghammer, Spaltkeil, Fäustel und Meissel. An Seilen gezogen wurden die Blöcke auf Balken und Holzrollen transportiert. Bei der Arbeit im Steinbruch und in der Werkstatt musste oft die ganze Familie mithelfen. Um 1925 wurde die Sägetechnik eingeführt, bei der von Motoren angetriebene Drahtseile den Stein dank der schleifenden Wirkung von Quarzsand aus der Felswand schnitten. Später geschah dies noch effizienter mit Diamantseilsägen. Auch die weitere Verarbeitung mit Steinsägen und Schleifmaschinen wurde weitgehend mechanisiert. Leider wurde 2010 auch der Betrieb der beiden letzten Steinbrüche bei Arzo eingestellt.